Vortragen macht Spaß
Für die meisten Menschen in unserem Beruf (Ausnahmen bestätigen die Regel) ist es zunächst ungewohnt und unbehaglich, außerhalb der Gruppe zu stehen, von allen „angestarrt“ zu werden und dabei locker und überzeugend zu sprechen. Es kommen Bedenken auf, was alles schief gehen könnte, es entsteht Lampenfieber. Das ist jedoch kein Grund zur Panik.
Risikoanalyse
Vor einer Präsentation steht die Risikoanalyse. Was kann im aller-aller-allerschlimmsten Fall passieren? Im Umfeld der Vorträge in der Joomla! Community: nichts. Niemand stirbt, wird krank oder ist ruiniert wenn ein Vortrag nicht gut ist. Schlimmstenfalls langweilen sich ein paar Leute – na und?
Die Joomla Community ist freundlich, interessiert und positiv eingestellt. Niemand wird hier ausgepfiffen oder mit Tomaten beworfen. Aber man/frau hat ja auch einen Anspruch an sich selbst und will so gut wie möglich ankommen, den Zuhörern einen Mehrwert bieten und als Person „gut dastehen“.
Es ist gut, Lampenfieber zu haben, denn es hält wach, gesammelt und aufmerksam. Erst wenn du dagegen ankämpfst, wird es schlimm und kann dich beim Vortragen behindern und blockieren. Mein Trick (der auch bei Flugangst funktioniert) ist einfach: Sag vor dem Vortrag / vor dem Flug zu einem Freund oder einer Freundin: „Mir graut davor, da reinzugehen!“. Irgendwie nimmt das schon den größten Teil der Angst, wenn man es sich einfach eingesteht und zuläßt.
Im Lauf der Zeit verringert sich diese Angst und macht einer angenehmen Anspannung und Vorfreude Platz.
Was die meisten sich nicht bewusst machen: Je kleiner das Publikum ist, desto größer ist das Risiko. Ein Vorstellungsgespräch, die Präsentation eines Projekts beim Kunden – hier kann wirklich vor einem 1-Personen-Publikum etwas schief gehen und der Auftrag oder der Job verloren sein. Bei einem Vortrag vor großem Publikum ist das Risiko klein.
Ich bin zu klein, zu groß, hab nichts anzuziehen und einen Pickel auf der NaseBei Auftritten in der Community ist das Aussehen nicht so wichtig. Hier gebe ich nur einen Rat: Kleide dich bequem und nicht zu warm - Reißverschlüsse und Blusenknöpfe müssen geschlossen sein, das kontrolliert man, bevor man in den Raum geht. Aber auch wenn es nicht wirklich wichtig ist: man kann darüber nachdenken dass "Kleidung Leute macht". Wenn du Kleidung hast, die deinen Vortrag unterstreichen kann und du dich damit wohl und sicher fühlst, zieh ruhig etwas Auffälliges an! Männer im Kilt und Frauen auf roten High Heels bleiben mehr im Gedächtnis als Träger der üblichen Jeans/T-Shirt Kombination.
Was ist, wenn die Technik nicht funktioniert?Dies ist ein echtes Risiko und hier muss jeder Vortragende vorsorgen: Folien und Videos der Präsentation gehören in die Cloud oder auf einen Stick. Ein mobiler Hotspot auf dem Handy muss für Notfälle eingerichtet sein, wenn etwas online vorzuführen ist. Mit einer Ersatzbatterie für die Maus und einer Kopfwehtablette für den Vortragenden habe ich auch schon manches gerettet.
Was ist, wenn ich plötzlich nicht mehr weiß, was ich sagen wollte?Peinlich. Aber wenn es doch mal passiert: Ein entschlossenes „Ich komme später nochmal auf diesen Punkt zurück“ funktioniert immer.
Ratschläge wie „Eine Sprechpause machen“ finde ich nicht empfehlenswert. Pausen betonen das eben gesagte und machen neugierig auf das was folgt. Als Redner fängt man dann an, krampfhaft zu überlegen und ist noch mehr blockiert. Oder der Rat "die Zehen in den Schuhen bewegen" den ich mal bekommen habe - ich habe es nie probiert.
Haltung ist die halbe Miete
Zu einem guten Vortrag gehört natürlich in erster Linie der Inhalt, auch die grafische Präsentation. Aber damit will ich mich hier nicht beschäftigen. Hier geht es um die Haltung. Kaum jemand macht sich klar, wie wichtig die Haltung – genauer gesagt die Körperspannung ist. Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance und ein Vortragender der hereinschlurft und schlapp dasteht macht schon am Anfang keinen guten Eindruck.
Stehen Sie kommod! Sagte man früher beim Militär, wenn eine unverkrampfte aber aufrechte und zentrierte Haltung erlaubt war.
Nicht Brust raus – Bauch rein. Nicht dastehen „wie eine nasse Nudel“ (Schwarzenegger zu Trump). Nicht auf Zehenspitzen oder Außenkante des Fußes kippeln. Die richtige Haltung geht so:
Es ist egal, wie groß oder klein, dick oder dünn du bist: Steh auf beiden Füßen, belaste Fersen, Ballen und Zehen gleichmäßig. Stell dir vor, von der Decke kommt ein Haken, fasst den obersten Punkt deines Kopfes und zieht dich hoch bis die Wirbelsäule ganz aufgerichtet ist. Nun lass die Schultern fallen und zieh sie ein wenig nach hinten/unten, denn Nervosität erkennt man an hochgezogenen Schultern, hängende Schultern wirken schlaff. Fertig. Es soll nichts verkrampft sein, nur zentriert und stabil. Das gilt auch im Sitzen, nur dass man eben fest und mittig auf dem Stuhl sitzt, nicht am Rand.
In dieser Haltung siehst du automatisch offen, kompetent und vertrauenswürdig aus. Auch wenn du innerlich bibberst, bemerkt es niemand. Du brauchst keine Energie drauf verschwenden, das Gleichgewicht zu halten. Aus einer zentrierten Haltung heraus kannst du dich frei bewegen – Schritte vor und zurück oder seitlich machen, die Arme können frei schwingen und gestikulieren, der Atem (die Stimme) fließt gut, der Blick kann direkt ins Publikum gehen.
Das wars eigentlich schon – nur die Arme noch: Die Bewegung der Arme und Hände wird von den Ellenbogen gestützt. Auch hier ist eine Körperspannung nötig, die Arme sollen nicht „schlenkern“. Gute Vortragende nehmen diese Haltung automatisch ein, manche können es schon von Natur aus ohne jemals drüber nachzudenken, andere – vor allem Schreibtischtäter – müssen das etwas üben bis es automatisch kommt.
BlickkontaktBei gerader Haltung geht der Blick auch gerade ins Publikum. Optimal ist es, wenn du Blickkontakt zu einzelnen Zuhörern aufnehmen kannst – mal hier, mal da, nur für einen Augenblick. Wenn dir das unangenehm ist, schau wenigstens auf den Haaransatz einzelner Leute. Keinesfalls beobachte während deines Vortrags die Folien hinter dir, die Spinne an der Decke oder einen Fleck auf dem Teppichboden.
GestenGesten unterstreichen das Gesagte. Wenn die Ellenbogen die Gesten stützen ist es schon die halbe Miete. Sei authentisch! Wenn dir große, weit ausholende Gesten nicht liegen, mach sie nicht. Man kann große Gesten natürlich trainieren aber es dauert, bis sie echt wirken.
Vermeide: Ellenbogen an den Körper pressen, beide Hände in die Hosentaschen stecken, Hände irgendwie umeinanderwinden oder mit dem Finger auf etwas zeigen.
Wenn die Hände nichts zu tun haben: locker hängen lassen, eine Hand in die Hosentasche stecken oder sie locker ineinanderlegen. Die Merkelraute ist übrigens ein Energiespender - probiere es.
Interaktion mit dem PublikumDies ist ein sehr schwieriges Kapitel und für Fortgeschrittene. Ich will hier nicht darauf eingehen, das ist zu umfangreich.
Stimme und Sprache
Die Stimme können wir nicht ohne Training verändern. Immerhin kann man(n) versuchen, nicht in den Bart zu murmeln und frau kann versuchen, nicht zu piepsen aber leider sind die Chancen hier recht ungleich verteilt.
Was jeder Vortragende tun kann:
- Langsam Sprechen
- Mund aufmachen, sorgfältig artikulieren
- Pausen machen
Es ist wie bei der Haltung: Verschwende keine Energie und Zeit auf Wörter und Sätze, die nicht notwendig oder nützlich sind.
Vermeide Füllwörter wie „äähhhh“. Die wenigsten sind so vorbereitet, dass sie jeden Satz perfekt geschliffen haben. Ein gelegentliches „äh“ schadet sicher nicht. Eine kleine Bedenkpause wirkt aber professioneller.
Aber trotzdem: Sprich langsam, je schneller du sprichst desto unsicherer und konfuser wirkst du.
Artikuliere sorgfältig – mach den Mund auf! Auch hier sind manche Menschen von Natur aus besser dran und können es von selbst, aber versuchen kann man es. Nimm deinen Vortrag mal auf und höre ihn an. Vielleicht hörst du selbst wo du schlampig sprichst. Jede Silbe, auch die am Wortende, hat das Recht ausgesprochen zu werden.
Pausen sind sehr wichtig. Nach jedem wichtigen Satz – 5 Sekunden Pause – damit das Gesagte sich setzen kann. Wiederhole dann sehr wichtige Sätze nochmal. „Joomla! ist das beste CMS aller Zeiten!“ Pause .. Leute anschauen … noch 4 Sekunden .. „Ja, Joomla! ist das beste CMS! Gleich erkläre ich … „
Von Sprechern lernen:
Schau dir echte Reden an: Was wirkt ehrlich, offen, kompetent? Welche Haltung (wenn sich einer nicht ans Pult klammert) wirkt stabil, konzentriert? Schalte auch mal den Ton ab und beobachte nur Haltung und Gestik. TED Talks - hier kann man viele Sprecher sehen, vergleichen und davon lernen.
Von Feedback lernen:
Frag einen Freund / eine Freundin: Wie war ich? Versuch dann, das nächste Mal eine Sache zu verbessern – nur eine Sache, sonst wirst du dich verkrampfen.
Schau das Video deines Vortrags an - auch ohne Ton, mit Untertiteln. Untertitel zeigen sehr gut schlampige Artikulation. "Schulungs-Extremisten" kommt beispielsweise heraus wenn "Joomla Extensions" undeutlich ausgesprochen wurde.
Disclaimer: Nobody is perfect
Ich erhebe keinerlei Anspruch darauf, selbst alles richtig zu machen. Ich sehe mich als Trainer - ein Trainer beobachtet, kommentiert und erklärt - aber muss selbst nicht perfekt Singen / Tanzen / Fußballspielen können.
Mit meinen Regeln habe ich jedenfalls Spaß am Vortragen.
Und wenn mal was schief geht - selbst bei Vorstellungsgesprächen oder Kundenpräsentationen darf es menscheln. Wer bei einem kleinen Malheur über sich selbst lacht, gewinnt Sympathien. Eine positive, offene Haltung macht auch hier den Unterschied.